Die Turbulenzen der Wechseljahre

Die Turbulenzen der Wechseljahre

Viele Frauen empfinden schon den Zyklus in der Zeit etwa zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr als beeinträchtigend: Prämenstruelle Beschwerden (PMS) nehmen zu, seelische Veränderungen, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Brustspannen, Zyklusunregelmäßigkeiten mit teilweise starken oder dauerhaften Blutungen oder Gewichtszunahme sind neue Erfahrungen in dieser Lebensphase. Hormonell lassen sich die Symptome in dieser sogenannten Prämenopause auf einen initialen Mangel an Progesteron zurückführen. Unsere Östrogenproduktion hingegen fällt erst später ab, etwa ab dem 45. Lebensjahr, und geht mit neuen Symptomen einher. Hier können dann Hitzewallungen, Gelenkschmerzen, Konzentrationsstörungen, Haut-und Schleimhauttrockenheit auftreten.

Östrogen und Progesteron spielen eine entscheidende Rolle für das körperliche und psychische Wohlbefinden. Östrogen unterstützt die Gesundheit von Knochen, befeuchtet die Haut und Schleimhäute, schützt unser Herz-Kreislauf-System und wirkt stimmungsaufhellend, konzentrations- und libidofördernd. Progesteron hat eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem und fördert den Schlaf sowie das emotionale Gleichgewicht. Testosteron wird auch im weiblichen Körper gebildet und spielt eine wichtige Rolle für unsere Libido, aber auch für den Aufbau von Muskulatur oder rationales Denken. Ein Ungleichgewicht dieser Hormone kann zu vielfältigen körperlichen und psychischen Beschwerden führen.

Progesteronmangel – wenn das Wohlfühlhormon fehlt

Schlafstörungen, Zyklusunregelmäßigkeiten, starke Blutungen, seelische Belastung/Dünnhäutigkeit, Panikattacken, Wassereinlagerungen, Brustspannen, Rückzugstendenz

Östrogenmangel – wenn die Eierstöcke die Rente antreten

Hitzewallungen, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Scheidentrockenheit, Gewichtszunahme, Haarausfall, depressive Verstimmung, Herzrasen, Libidoverlus

Testosteronmangel – ist mein Sexleben ausgewandert

Libidoverlust, Muskelschmerzen

Bioidentische Hormone sind wie die hippen modernen Schwestern in der Hormonfamilie – sie werden aus der Yamswurzel gewonnen und haben die exakt gleiche molekulare Struktur wie körpereigene Hormone. Das bedeutet auch: Ihr Körper kennt diese Stoffe und weiß, wie sie abgebaut werden müssen. Sie sind daher mit geringeren Nebenwirkungen und Risiken verbunden. Synthetische Hormone hingegen unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur von körpereigenen Hormonen. In der modernen Hormonersatztherapie (HRT) werden in der Regel bioidentische Hormone verwendet. In bestimmten Situationen, z. B. wenn die Hormontherapie auch als Verhütung genutzt werden soll oder starke Blutungen mit bioidentischem Progesteron nicht in den Griff zu bekommen sind, kann eine synthetische Gestagengabe als Alternative zum Progesteron nach wie vor sinnvoll sein. Beide Formen haben spezielle Vor- und Nachteile und sollten individuell abgestimmt verwendet werden.

Sollten Progesteron und Östrogen (Estradiol) immer zusammen eingenommen werden? Nun, das kommt darauf an. Wenn Sie noch eine Gebärmutter haben, dann ja – Progesteron schützt uns vor einem durch Östrogen ausgelösten unnötigen Aufbau der Gebärmutterschleimhaut. Wird Estradiol alleine eingenommen, kann es zu erneut auftretenden Blutungen und schlimmstenfalls zur Entartung kommen. Stellen wir dem Estradiol seinen natürlichen Kontrolleur Progesteron zur Seite, besteht kein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Gebärmutterschleimhautkrebs (Endometriumkarzinom). Daher gilt: Wenn Ihre Gebärmutter noch vorhanden ist, darf Progesteron nicht fehlen.

Die Wirkung einer Hormonersatztherapie (HRT) zeigt sich in der Regel nicht sofort. Meist werden Veränderungen erst nach wenigen Wochen spürbar. Die Dauer und Intensität der Wirkung variieren individuell, weshalb eine regelmäßige ärztliche Überprüfung der Therapie empfohlen wird. 

Nebenwirkungen in der Hormonersatztherapie können variieren, es kann zu Gewichtszunahme, Brustspannen, Kopfschmerzen, Übelkeit und einem erhöhten Risiko für Thrombosen kommen. Bei bioidentischer Therapie mit Östrogen-Gels in Kombination mit Progesteron ist das Thromboserisiko nicht erhöht. Meist sind Nebenwirkungen ein Hinweis auf eine fehlende Balance der Hormone. Regelmäßige Laborkontrollen und enge ärztliche Abstimmung sind daher in jedem Fall sinnvoll.

Das Krebsrisiko unter HRT ist ein zentraler Untersuchungsgegenstand in der Forschung. Insbesondere für Brustkrebs besteht bei langfristiger Anwendung von HRT, vor allem in Kombination mit Progesteron, ein möglicherweise erhöhtes Risiko. Allerdings lässt sich daraus in keiner Weise schlussfolgern, dass Hormone Brustkrebs auslösen. Sie sind lediglich einer von multiplen Risikofaktoren und die Entstehung von Brustkrebs ist multifaktoriell bedingt. In der Praxis versuche ich es folgendermaßen zu veranschaulichen: „Wenn Sie abends ein Glas Wein trinken, an was denken Sie dann?“ – in kaum einem Fall lautet die Antwort: „Brustkrebs“. De facto ist das Risko für eine Brustkrebserkrankung bei regelmäßigem Alkoholkonsum aber circa 4,5-mal höher einzustufen als bei einer kombinierten HRT über 5 Jahre.

Andererseits wissen wir auch, dass uns Estradiol beispielsweise vor der Entstehung von Darmkrebs oder Lungenkrebs schützt. Eine individuelle Risikoabschätzung sollte in enger Abstimmung mit den behandelnden ärztlichen Kollegen und Kolleginnen erfolgen.

Bei Anwendung von Estradiol-Gels auf der Haut wird der sogenannte First-Pass-Effekt über den Leberkreislauf umgangen und Abbau und Ausscheidung erfolgen zum größten Teil über die Nieren. Progesteron hingegen wird über die Haut nicht ausreichend aufgenommen und muss daher oral eingenommen werden. Hier ist die Leber am Abbau beteiligt. Bei Patientinnen mit bestehenden Lebererkrankungen kann dies zu Problemen führen. In solchen Fällen sollte die Therapie eng überwacht und gegebenenfalls angepasst werden, um eine Überbelastung zu vermeiden.

Es gibt eine Geschichte, die besagt, dass in einer Region Japans die ältesten Frauen der Welt leben, die alle einen Estradiolwert von 30 pg/ml haben. Dieser Wert entspricht in etwa dem unteren anzustrebenden Estradiol-Grenzwert einer Hormonersatztherapie. Ob das stimmt? Nun, sagen wir es so: Wissenschaftliche Beweise dazu sind dünn gesät, aber es klingt nach einer wunderbaren Idee. Die Ursachen für diese Langlebigkeit sind jedoch multifaktoriell und nicht allein auf den Estradiolspiegel zurückzuführen. Faktoren wie Ernährung, Lebensstil und Genetik spielen eine wesentliche Rolle. Die langfristige Einnahme bioidentischer Hormone galt bislang eher als umstritten. In der Regel betrug die durchschnittliche Einnahmedauer 5 bis 7 Jahre. Neuere Studien hingegen zeigen, dass eine Einnahme auch nach dem 65. Lebensjahr protektiv wirkt auf die Entstehung vieler Folgeerkrankungen wie z. B. Darmkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und Osteoporose. Eine große 2024 veröffentlichte Studie aus den USA mit 10 Millionen Patientinnen zeigte sogar, dass Frauen mit dauerhafter HRT länger leben als Frauen, die nie Hormone eingenommen haben oder die Einnahme irgendwann abbrachen. Insgesamt kann man wohl festhalten: Langfristige Einnahmen bioidentischer Hormone können sinnvoll sein, sollten aber gut abgewogen werden, da sie nicht für jede geeignet sind. Die Dosis sollte so gering wie nötig gehalten werden, um die positiven Effekte zu erhalten, ohne unnötige Risiken einzugehen. 

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